Neues aus der BVfK-Rechtsabteilung:
Ist das noch fabrikneu? Rechte des Käufers bei Fahrzeugschäden vor und nach Übergabe.
Mit 40,5 Grad hat Geilenkirchen am vergangenen Mittwoch den Rekord als heißester Tag Deutschlands seit Beginn der Wetteraufzeichnung geknackt. Zwischenzeitlich kratzte auch der BVfK-Geschäftsstellensitz in Bonn bei gemessenen 38,7 Grad am höchsten Podest des Siegertreppchens. Des einen Freud, des anderen Leid, denn auf derartige Hitzeperioden folgen nicht selten schwere Unwetter, die des Autoverkäufers mitunter schlimmsten Feind ans Licht bringen: Den Hagelschaden.
Ein derart plötzlich auftretendes Naturereignis dürfte wohl die häufigste Ursache für Beschädigungen eines bereits veräußerten aber noch am Hof des Händlers befindlichen Fahrzeugs sein, auch wenn sicherlich eine Vielzahl anderweitiger Schadensvarianten in Betracht kommt. Jedenfalls haben wir den Eindruck, dass die Anzahl der diesbezüglich bei uns eingehenden Anfragen mit Auftreten von Unwettern deutlich ansteigt, weshalb wir den heutigen Beitrag dem korrekten Umgang mit einer solchen Situation widmen möchten.
Wie verhalte ich mich als Verkäufer richtig? Welche Rechte hat der Käufer?
Nachdem die Beschädigung des Fahrzeugs festgestellt wurde, sollte zunächst die etwaige Gefährdung bestehender Lieferfristen geprüft werden und eine entsprechende Mitteilung gegenüber dem Käufer unverzüglich erfolgen. Ein den Käufer zum Schadensersatz berechtigender Lieferzug setzt jedoch Verschulden des Verkäufers voraus, welches jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn es sich – wie bei einem Hagelschaden – um höhere Gewalt handelt.
Bevor der Käufer vom Vertrag zurücktreten kann, ist dem Verkäufer eine angemessene Nachfrist im Hinblick auf die vertragsgemäße Übergabe des Fahrzeugs zu setzen. Diese bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es ist jedoch anzuraten, die vorgefundenen Schäden schnellstmöglich zu beheben, denn der zur Verfügung stehende Spielraum bei Beurteilung der Angemessenheit sollte nicht überstrapaziert werden. Ist dem Verkäufer die Reparatur innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht möglich, dürfte sich der Käufer in der Regel vom Vertrag lösen können.
Ist das Fahrzeug mitsamt Beschädigung bereits übergeben worden, kann sich der Verkäufer Sachmängelhaftungsansprüchen ausgesetzt sehen. Grundsätzlich sind in dem Zusammenhang Nacherfüllungsansprüche vorrangig und häufig können Beschädigungen auch rückstandslos im Rahmen einer Nachbesserung beseitigt werden. Allerdings dürfte der Spaß an einem Neufahrzeug zumindest etwas getrübt sein, wenn bereits (fachgerecht instandgesetzte) Schäden bekannt sind.
Neuwageneigenschaft ade?
Und tatsächlich kann unter gewissen Umständen ein Anspruch des Käufers auf Nachlieferung eines Ersatzfahrzeugs oder gar ein Rücktrittsrecht bestehen. Ausschlaggebend ist der Umfang des Schadens. Ein Neufahrzeug, das nach Verlassen des Herstellerwerks nicht ganz unerhebliche Lackschäden erlitten hat, ist nämlich nicht mehr „fabrikneu“, selbst wenn der Schaden vor Auslieferung ausgebessert wurde. Etwas anderes gilt nur bei fachgerecht beseitigten geringfügigen Lackschäden. (OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2011). Ob der Schaden geringfügig war, beurteilt sich anhand des Reparaturaufwands und des Schadensumfangs im Einzelfall.
Stellt sich danach heraus, dass es dem Fahrzeug an der Fabrikneuheit fehlt, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten oder Nachlieferung verlangen, denn die fehlende Fabrikneuheit begründet laut BGH (Urteil vom 06.02.2013) immer die für den Rücktritt erforderliche Erheblichkeit (Zur Definition der Fabrikneuheit siehe Wochenendticker vom 13. Januar 2018 - Schauen Sie sich diesen Newsletter in Ihrem Browser an.).
Im Falle der Nachlieferung sind die Grenzen der Unverhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Da eine Nachbesserung im Hinblick auf die Fabrikneuheit aber nicht mehr möglich ist, kann der Käufer nicht darauf verwiesen werden, dass die Nachlieferung im Vergleich zur Schadensbeseitigung unverhältnismäßig teuer sei (relative Unverhältnismäßigkeit). Vielmehr ist anhand objektiver Kriterien zu beurteilen, ob die Nachlieferung an sich (absolut) unverhältnismäßig ist, was regelmäßig dann der Fall ist, wenn deren Kosten den Wert des mangelfreien Fahrzeugs um 150 % übersteigen (z.B. Beschaffung des Fahrzeugs nur noch für 15.000 € statt 10.000 € möglich).
Ein Rücktrittsrecht/Recht auf Nachlieferung aufgrund fehlender Fabrikneuheit dürfte insoweit auch bestehen, wenn das Fahrzeug noch nicht übergeben wurde, denn der Verkäufer kann seine ursprüngliche vertragliche Verpflichtung nicht mehr erfüllen.
Anmerkung der BVfK-Rechtsabteilung
Wenn Sie in der Position des Verkäufers sind, sollten Sie zügig reagieren, den Schaden prüfen und den Käufer in angemessenem Umfang und unverzüglich informieren. Stellt sich heraus, dass eine massive Beschädigung vorliegt, können trotz erfolgter und rechtzeitiger Nachbesserung noch weitere Ansprüche des Käufers bestehen, nämlich wenn die Fabrikneuheit des Fahrzeugs nicht mehr gegeben ist.
Sind Sie in der Position des Käufers, sollten Sie dem verkaufenden Händler zunächst eine angemessene Frist zur Lieferung des vertraglich vereinbarten Fahrzeugs setzen. Bei der Beseitigung von Hagelschäden dürften 14 Tage in der Regel ausreichend sein. Anschließend dürften Sie vom Vertrag zurücktreten können.
Gleiches gilt, wenn sich der Schadensumfang so darstellt, dass es sich nicht bloß um leichte Schäden handelt. Sie sollten also einen Nachweis über den Umfang der Reparaturen verlangen. Kann ein solcher nicht erbracht werden, deutet zumindest Einiges darauf hin, dass eine nicht unerhebliche Beschädigung vorliegt, welche die Fabrikneuheit aufheben kann.
Sind Sie in eine der vorbeschriebenen Situationen geraten, wenden Sie sich zwecks Einschätzung und Unterstützung gerne an die BVfK-Rechtsabteilung!
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